Mittwoch, 3. November 2010

Perfektes Timing

Im Mai 2010 verkündete Roland Koch für fast alle überraschend, von seinem Amt als Hessischer Ministerpräsident zurückzutreten. Unterstellungen, Begründung sei wohl ein Job-Angebot der Industrie, das ihn wirtschaftlich erheblich besser stelle, wies er entrüstet zurück.
Ja er behauptete sogar, ohne Rettungsanker ins kalte Wasser zu springen und sich erst einmal ein halbes Jahr auf sein Familienleben zurückzuziehen, ehe er sich überhaupt auf die Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung begebe.
Bravo! Das halbe Jahr ist gerade vorüber und nicht einen Tag später hat Herr Koch bereits einen neuen Job, der sein bisheriges Einkommen rund verzehnfacht. Das halbe Jahr Urlaub rechnet sich so nachträglich. Bereits im Dezember 2010 ist seine finanzielle Situation besser als sie bei Verbleiben im Amt im April 2011 gewesen wäre. Dabei muss man nicht einmal ins Kalkül ziehen, dass er ja auch während seines halbjährigen Urlaubs durchaus vom Land Hessen zur Überbrückung weiterbezahlt wurde, einen Dienstwagen fuhr, ein Büro samt Sekretärin auf Steuerzahlerkosten zur Verfügung hatte.
Die Arbeitslosen und Hartz4 Empfänger sollten sich ein Beispiel nehmen. Koch belegt doch die angebliche Aussichtslosigkeit einer Arbeitsuche als ausflüchtig. Er hat seine Arbeitslosigkeit von heute auf morgen behoben und sein Einkommen dabei verzehnfacht. Also Hartz4 Empfänger keine Ausreden mehr und die Ärmel hochkrempeln.

Aber vielleicht nutzt das nichts. Vielleicht ist Herrn Kochs Geheimwaffe ja ein Geflecht aus Beziehungen, das andere nicht aufweisen können, weil sie zu dumm waren, bei Zeiten Vorsorge zu treffen. Zielstrebigkeit lässt sich nicht erst dann aus dem Ärmel schütteln, wenn die Not schon vor der Tür steht.
Herr Koch hat vor rund dreißig Jahren bereits als Student eifrig alle Weichen gelegt. Und weil es viel mehr Weichen als eigene Hände gibt, hat er rechtzeitig Bündnisse geschmiedet. Ist doch logisch. Warum sollte er zum Beispiel in ein anderes Bundesland fahren, um dort Strippen zu ziehen, wenn vor Ort Kumpel wohnen, die das für ihn erledigen konnten. Natürlich nicht ohne Gegenleistung. Dafür hat er dann in seinem Wirkungsbereich diesen Verbündeten die Wege planiert.

Wie gut das funktioniert hat, belegt, dass alle Mitglieder seines Studentenbundes ‚Tankstellen Connection‘ und des Geheimbundes ‚Andenpakt‘ später Karriere gemacht haben, zum großen Teil sogar Ministerpositionen in Bund und Ländern erreichten. Von rund 17 Bündnisbrüdern (eine davon im eigentlichen Sinne Schwester) kamen anschließend 9 in Ministerämter, letztlich alle in hohe politische Funktionen. Das lässt sich mit demokratischen Prozessen nicht mehr erklären.
Als die CDU am 7. Februar 1999 die Hessische Landtagswahl gewann und Roland Koch Hessischer Ministerpräsident wurde, sorgte er entsprechend der getroffenen Geheimabsprache dafür, dass seine engsten Vertrauten des Andenpakts Köpfe der Hessischen Schlüsselministerien wurden. Qualifikation spielte da keine Rolle, das Bündnis, das Herrn Koch auf den Schild gehoben hatte, musste in allen Punkten erfüllt werden. Zumal größere Aufgaben warteten. Nach der von Thomas Wieczorek geschriebenen Biografie war seit Studententagen Kochs Endziel das Bundeskanzleramt, mit, zu seinem jetzigen neuen Ziel, vergleichsweise geringem Einkommen aber höchster Reputation und sicheres Sprungbrett für einen anschließenden Wechsel in höchste Wirtschaftskreise. Das hat sich wohl zerschlagen, denn Kochs Andenpaktspartner und Vertrautem Franz-Josef Jung war es nicht gelungen, in Berlin eine entsprechende Seilschaft gegen Frau Merkel zu knüpfen. Im Gegenteil, Jung selbst konnte sich nicht gegen Merkels Streitmacht halten und verschwand nach kurzem Intermezzo als Verteidigungsminister in der Versenkung.
Roland Koch hat diese Zeichen wohl verstanden und die Weichen selbst neu umgelegt. Wenn auch seine politischen Ambitionen damit beendet sind, bedeutetet das ja wohl nicht das Ende des Männerbündnisses und der Schritt Kochs weckt die Hoffnung, dass er jetzt seine Position nutzt, seinen anderen Andenpaktmitglieder in Positionen nachzuziehen, in denen sie zwar mehr verdienen, aber weniger politischen Schaden anrichten können. Zu ihrem Nutzen und dem Nutzen der Demokratie.

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