Donnerstag, 14. Januar 2010

Keynes für Wohlhabende

Verfolgt man die Wirtschaftsnachrichten der letzten Wochen, so leidet Deutschland und die Welt an einem einzigen Problem. Es gibt einen Überschuss an unnötigen Produkten, die keiner kaufen mag. Das führt dazu, dass deren Produzenten Verluste schreiben, Arbeitsplätze abbauen müssen und keine Steuern bezahlen.
Die Lösung ist nach der Politik einfach. man gibt den Personen, deren Lebensgrundlagen so gut abgedeckt ist, dass sie ihr Geld wahrscheinlich für Überflüssiges ausgeben werden, mehr Geld. Das Geld wird dann über Steuern und Gebühren auf alle umgelegt. Jeder trägt somit etwas zum Wirtschaftsaufschwung bei. Die Personen mit Nachholbedarf bezüglich der Grundversorgung durch Steuerzahlungen, die Wohlhabenden durch Geldgeschenke für weiteren Konsum und Luxusleben.

Vergessen wird bei dieser Betrachtung, dass es in einem sozialen Rechtsstaat, der die Bundesrepublik ja nach Artikel 20 des Grundgesetzes ist, vor allem um die gerechte Verteilung von Gemeinschaftslasten und Gemeinschaftserträgen geht. Und, warum soll ein lebenslang vor Arbeitslosigkeit befreiter Beamter, der im Durchschnitt sehr viel weniger leistet und sehr viel besser verdient, mehr vom Bruttosozialprodukt erhalten, als die Arbeiter, die die Erträge erwirtschaftet haben und im selben Moment in der Situation sind, auf Einkommensanteile in zweistelliger Größenordnung zu verzichten, nur um ihren Arbeitsplatz zu erhalten?

Manch ein Arbeiter würde lebenslang auf 20% seines Einkommens verzichten, erhielt er im Gegenzug die wirtschaftliche Sicherheit und Unkündbarkeit des Arbeitsplatzes, die sich die Beamtenschaft im Juni 1950 selbst neu beschieden hat. Aber ich möchte gar nicht thematisieren, dass bei allen Einkommensvergleichen zwischen Arbeitern und Beamten der materielle Mehrwert der Unkündbarkeit bei den Beamten unberücksichtigt bleibt. Würde man die Einkommen real seiner sozialen Wirkung vergleichen, so müssten die Einkommen der Beamten um den Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung gekürzt werden, denn diese wird ihnen von der Allgemeinheit sogar zu 100% versichert, nämlich durch Arbeitsplatzgarantie und Frühpensionierung, sondern zusätzlich müsste das Einkommen noch um den realen Satz der Arbeitslosigkeit gemindert werden.

Denn, ist es nicht so, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Bei den Arbeitern wird bei der Bemessung des Durchschnittseinkommens nur der Anteil erfasst, der in Beschäftigung steht. Die Arbeitslosen bleiben unberücksichtigt. Das ist eine willkürliche Statistik. Dann könnte man auch gleich nur die Arbeiter in gehobenen Positionen zum Vergleich heranziehen, ohne zu beachten, dass die jeweilige Leistung, Arbeitszeitbelastung und Verantwortung nicht im Geringsten vergleichbar sind und im Gegensatz zu einem regelmäßig beförderten Beamten bei einem Spitzenarbeiter in der Wirtschaft eine Karriere auch mal brechen und in Armut enden kann.
Man sollte schon gleich mit gleich messen. Nur ein Beispiel, eine Bekannte von mir war Lehrerin im Angestelltenverhältnis, durch Zeitverträge immer von der Arbeitslosigkeit bedroht. Sie wurde dann als einzige ihrer Gruppe in das Beamtenverhältnis übernommen, - lebenslange Arbeitsplatzgarantie und eine sofortige Gehaltsaufbesserung um 1000,- Euro war die Folge. Das nur zur Schlechterstellung des Beamten.

Nun, wozu führt nun die weitere Verbesserung einer solchen Lebenssituation, in der man sich absolut sicher sein kann, niemals mittellos zu sein. Sie führt zu Geldausgaben, wie es ja die Wirtschaftswissenschaftler als dringend notwendig fordern.
Und wozu wird das Geld ausgegeben? Zum Beispiel, um teure Auslandsreisen zu machen, die sich der Arbeiter nie leisten könnte. Das vom deutschen Steuerzahler aufgebrachte Geld kommt also dem Wirtschaftsaufschwung im Ausland zu Gute, nicht anders, wie von der Abwrackprämie vor allem ausländische Wirtschaften profitiert hatten. Auch gut, da kaufen die vielleicht davon wieder deutsche Produkte, wahrscheinlich ist das aber nicht.
Dann wird das Geld natürlich auch in Sachwerte investiert, zum Beispiel in dem per Zwangsversteigerung das Haus eines arbeitslos gewordenen Arbeiters erworben wird.
Und dann werden natürlich Luxusgüter angeschafft, die materiell nicht notwendig wären. Ein alter brauchbarer Gegenstand, dessen durch die Herstellung angefallene Umweltbelastung noch nicht einmal abgeschrieben ist, wird unter neuer Umweltbelastung zerstört, um dann die Produktion eines Artikels zu bedingen, die erneute, wesentlich höhere Umweltbelastung bewirkt. Wie lange soll ein solches Schneeballsystem noch funktionieren, wo doch jeder weiß, dass schon die heutige Umweltbelastung zur Verelendung unserer Nachkommen und zu Verteilungskriegen führen wird?
Wäre nicht einmal ein Umdenken notwendig. Als Keynes das nachfrageorientierte Wirtschaftssystem entwickelte, gab es zum Unterschied von heute eine echte Nachfrage. D.h., es wurde der Handel mit Waren gefördert, die vorher aus Armutsgründen nicht vorhanden waren und deren Einsatz zu weiteren eigendynamischen Produktionsimpulsen führte. Das ist nicht vergleichbar der heutigen Situation, in der funktionierende Ware zerstört wird, um Platz für Neues zu machen. Ja, nicht einmal das sozial sinnvolle Weitergeben der ausgemusterten Stücke an Bedürftige ist vorgesehen, denn damit würde man ja einen Restmarkt stillegen, weil natürlich auch in diesen Kreisen, womöglich unter, den Geldumlauf beschleunigender Schuldenaufnahme, unabdinglicher eine Kauf-Zwangslage besteht.
Es geht also lange nicht mehr um eine Versorgung des Volkes, sondern ausschließlich darum, dass Ware produziert und vernichtet wird, um neue Produktion zu erzwingen. Um den Kreislauf von Geld und Ware, an dem der Staat selbst ja sehr einträglich verdient. Umwelt und Schicksal der Menschen werden zur Funktionen eines Wirtschafts-Schachspiels. Das Sozialleben der Menschen ist zum Monopoly verkommen, in denen eine besitzende Minderheit sich nach und nach alle Straßen aneignet.

Wäre es nicht eher sinnvoll, die Einkommen von Arbeitslosen und sozial Schwachen zu stärken? Das ist nicht ungerecht, denn die von allen aufgestellten gesellschaftlichen Regeln sind es doch, die die Lebensmöglichkeiten darauf beschränken, alle Lebensgrundlagen nur noch kostenaufwändig gewährt zu erhalten. Verhindert dann der immer mehr Menschenkraft ersetzende Maschineneinsatz die Möglichkeit dieses Geld zum Leben auch durch genügend Arbeitsplatzangebote zu erwirtschaften, so ist eben die Sozialgemeinschaft gefordert. Es kann nicht sein, dass das Leben zur Arbeitsplatzlotterie wird, in der also nicht einmal Leistung, sondern Beziehung, soziale Herkunft und Glück endgültige Lebensweichen Stellen.

Da mittlerweile nahezu alle materiellen Produkte, die ja nach ursprünglicher Geldtheorie der Gegenwert des umlaufenden Geldes sind, durch Maschinenarbeit erzeugt werden, ist eine Zuordnung deren Leistung auf bestimmte, insbesondere nicht einmal annähernd in den Produktionsprozess eingebundenen Beschäftigte, gar nicht mehr möglich. Warum sollen nicht alle von der Maschinenleistung profitieren? Also auch die Arbeitslosen. Das ist eine reine Verteilungsfrage. Natürlich würden die das Geld dann anders ausgeben, für Lebensnotwendiges zum Beispiel.
Luxusgüter Produzenten würden natürlich weniger Ware verkaufen. Aber müsste das bedeuten, dass Arbeiter entlassen und Lohnkürzungen vorgenommen werden? Natürlich nicht, denn für jedes überflüssiges Produkt wird ein gleichwertig funktionierendes zerstört. Das beste Beispiel ist die Rüstung. Produziert eine Firma eine Rakete und bezahlt ihren Arbeitern für die Produktionsleistung Millionenbeträge und diese Rakete wird kurz darauf verschossen, so ist ihr Wert nicht mehr vorhanden. Man hätte also den Arbeitern gleich das Geld ohne Gegenleistung geben können. Natürlich hinkt das Beispiel, aber es zeigt auch, dass unfähige Friedenspolitik enormen volkswirtschaftlichen Schaden erzeugt, ohne den alle gut leben könnten.
Und Luxuswaren benötigt man doch nur, um das Geld der Personen, die mehr Geld ‚verdienen‘ als sie ausgeben können, in den Geldkreislauf zurückzuholen. Da fragt man sich doch, ob das Übel nicht darin liegt, dass diese Personen überhaupt so große Summen aus der Volksleistung abzwacken können?