Freitag, 25. Juni 2010

Ist die Gewerbesteuer zeitgemäß?

Schon seit geraumer Zeit diskutiert die Regierung, ob nicht die Abschaffung der Gewerbesteuer ein Betrag zur Wirtschaftsbelebung leisten könnte.
Der Knackpunkt, die Gewerbesteuer ist die wichtigste Finanzierungsquelle der Kommunen, die bereits mit den Einkünften aus der Gewerbesteuer um ihre wirtschaftliche Existenz zu kämpfen haben. Ein Wegfall dieser Einnahmen würde viele Kommunen zahlungsunfähig werden lassen. Darüber ist bereits viel geschrieben worden.
Die Aussagen der Fraktion der Partei ‚Die Linke‘ machen es allerdings sinnvoll, sich einmal mehr Gedanken über die Berechtigung der Gewerbesteuer zu machen, denn ganz so legitim dürfte es nicht sein, die Rechnung nur aus Sicht der durch die Gewerbesteuer begünstigten Seite zu sehen.

Alleine der Grund, dass jemand das von mir erwirtschaftete Geld gut für seine Zwecke gebrauchen kann, rechtfertigt natürlich keinen Anspruch, es mir als Leistungserbringer ersatzlos abzunehmen. Worauf gründet sich also der Anspruch auf Gewerbesteuer?

Nun, in der Feudalzeit gab es eine solche nicht. Es gab eine Art Umsatzsteuer (einkommensunabhängige Besteuerung der Firmengröße), eine Schatzungssteuer (geschätzte Steuer), die von der Betriebsgröße auf den (möglichen) Ertrag schloss und diesen unabhängig materieller Tatsachen als gegeben betrachtete. Normale Bürger bezahlen keine Steuer, denn sie verfügten ja kaum über Geldeinkünfte, die besteuerbar waren.
Zusätzlich bezahlte der Gewerbetreibende seit dem 11. Jahrhundert eine Gewerbeabgabe an seine jeweilige Zunft, der der Gewerbetreibende angehören musste. Dieses Geld floss nur indirekt an die Allgemeinheit, in dem es teils dazu eingesetzt wurde, Voraussetzungen für die Berufsausbildung von Zunftgesellen zu schaffen und Strukturmaßnahmen zu finanzieren. Ansonsten flossen die Einnahmen in die Verwaltung und waren zudem eine Abgabe, mit der sich alteingesessene Gewerbetreibende den Ausfall vergüteten, der ihnen durch neu-zugelassene Konkurrenz entstand. Denn die Zünfte sorgten dafür, dass Nichtmitglieder kein konkurrierendes Gewerbe ausüben konnten – heute würde man von Schwarzarbeitsbekämpfung sprechen – und beschränkten die Mitgliedschaften äußerst restriktiv, in dem weitere Gewerbe nur zugelassen wurden, wenn dies nicht zu Lasten der bereits vorhandenen Gewerbetreibenden ging. Man könnte das mit dem noch heute existierendem Berufsprivileg der Bezirksschornsteinfeger vergleichen.

Die Gemeinden lebten von dem freiwilligen und erzwungenem Engagement ihrer Bewohner, ansonsten von spärlichen Investitionen ihrer jeweiligen Landesherrn. Als dann im 18ten Jahrhundert die Macht der Zünfte zugunsten einer Gewerbefreiheit begrenzt wurde, beanspruchten die Gemeinden die Zunftabgaben als Gewerbesteuer, in dem sie argumentierten, dass es ja sie seien, die die Kinder schulisch ausbilde und somit ihre Bürger als Arbeitskräfte zur Verfügung stellten, dass sie den Gewerbetreibenden die für den Verkauf ihrer Leistung benötigte Infrastruktur schaffe und auch für kulturelle Angebote sorge, die vornehmlich dem Gewerbetreibenden zugute kämen.
Zusätzlich beanspruchten die Landesregierungen für heutige Verhältnisse ausgesprochen geringe, teils unter einem Prozent liegende Umsatzsteuer(, denn normale Arbeitnehmer hatten dafür weder Sinn, noch Zeit, noch Geld).
Als dann durch die Industrialisierung der Arbeiterstand mit regelmäßigem Einkommen entstand, wurde die Gewerbesteuer, die beanspruchte als ‚Schatzungssteuer‘ die Leistungsfähigkeit des Zahlungspflichtigen zu berücksichtigen, sinngemäß auf diese übertragen. Hieraus entwickelte sich dann die Lohn- bzw. Einkommensteuer, der dann allerdings systemwidrig die Gewerbetreibenden noch zusätzlich unterworfen wurden.
Begründet wurde das wie heute damit, dass die Lohn-und Einkommensteuer ja nicht an die Kommunen gingen, sondern vom Land beansprucht wurden. Das Land gab also vor, die Einkommen entsprechend der Gleichheit bei allen zu besteuern, also von Selbständigen und von Arbeitnehmern, die Kommunen, dass sie auf die Gewerbesteuereinnahme zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben nicht verzichten könne und die Gewerbesteuer ja bereits zuvor rechtmäßig erhoben hatten und sich daran nichts ändern, nur weil das Land weitere, für alle gleiche Steuern erhebe.
Aber, die Einkommen der Gewerbetreibenden lagen deutlich oberhalb der der lohnabhängigen Bürger und die Steuersätze waren moderat, so dass damals die doppelte Besteuerung für Gewerbe ohne Substanzverlust aufbringbar war, auch wenn ihr ein Gerechtigkeitssinn abgeht. Und, nur nebenbei, eine ‚Zunftabgabe‘ wurde ja auch wieder zusätzlich eingeführt, nämlich die kostenpflichtige Plichtmitgliedschaft zu einer Berufsgenossenschaft bzw. der IHK, auch wenn man – wie wohl die meisten Kleingewerbetreibenden - niemals im Leben von diesen eine Gegenleistung beansprucht.

Für den Steuerzahler ist das allerdings kleine Rechtfertigung, wenn das Land nun erklärt, die Gewerbesteuer flösse ja an die Kommune und nicht an sie, weshalb sich mit dieser ihr Steueranspruch nicht erledige und die Kommunen behaupten, sie habe so gut wie keinen Anteil an der Einkommensteuer, so dass sie die Gewerbesteuer beanspruchen müsse, um ihre Existenz zu sichern. Fehler der von der Politik willkürlich bestimmte Politik der Steuerverteilung können nicht einseitig und entgegen der Gleichheit auf eine Berufsgruppe abgewälzt werden.
Warum soll nun ein geringer Teil der Bürger, nämlich der, der sich und anderen einen Arbeitsplatz selbst schafft zwei Mal Steuern bezahlen, hingegen der Bürger, der den einfachen Weg geht und einen vom Gewerbetreibenden geschaffenen Arbeitsplatz beansprucht, nur einmal.
Es fehlt der Gewerbesteuer der Rechtfertigungsgrund, insbesondere Kleingewerbetreibende mit einer kommunalen Sonderabgabe zu belasten. Längst profitiert nicht mehr der Gewerbetreibende vom Arbeitskräfteangebot der Kommunen, sondern die Kommunen profitieren vom Gewerbe, dass ihnen die kostenintensiven Arbeitslosen abnimmt und somit in ihren Sozialkosten entlastet. Auch Straßen werden nicht mehr für den Gütertransport der Gewerbetreibenden gebaut, sondern dienen überwiegend dem Massenverkehr der Normalbürger und sind zudem durch die Einnahmen der Kfz- und Treibstoffsteuer vom Bürger mehrfach überbezahlt.
Gerade Kleingewerbetreibende kommen auf Arbeitszeiten, die vielfach oberhalb der der Arbeitnehmer liegen und haben daher erheblich weniger Zeit, die kulturellen Angebote der Kommunen überhaupt zu nutzen.
Auch das letzte Argument, dass die Kommunen ja die Kinder zu arbeitsfähigen Personen heranbildet, stimmt nur noch sehr bedingt, denn jede größere Firma beklagt längst die schlechte und unzureichende Ausbildung der Berufsanfänger und hat selbst auf eigene Kosten Betriebsschulungen eingerichtet, um diese Mängel zu beseitigen.

Und wie sieht es mit der ehemals existenzsichernden Maßnahmen aus? Jeder sieht heute in den Stadtzentren viele leere Geschäftsräume. Manche Innenstädte sind regelrecht verwaist, weil die dortigen Geschäfte aufgeben mussten, weil die Gemeinden Industrie- und Gewerbegebiete erschlossen und dort Großunternehmen angesiedelt haben , die in der Summe weniger und schlechter entlohnte Arbeitsplätze schafften, sich hierfür bis zu zehn Jahre von der Gewerbesteuer befreien ließen und als Dank die in der Stadt liegenden steuerzahlenden Betriebe durch Dumpingpreise in den Konkurs trieben. Firmen, die nicht nur keine Steuern bezahlen, sondern früher oder später Zuschüsse verlangen, weil sie auf Grund der Dumpingpreise nicht wirtschaftlich sind, aber nachdem die innerörtlichen Arbeitsplätze beseitigt sind, nun das Erpressungspotential haben, alle Arbeitskräfte des Ortes in einem Zug frei zu setzen, was sich keine Kommune leisten kann.
Früher dienten die Gewerbesteuereinnahmen dem Schutz und Nutzen der Gewerbetreibenden, die sie aufbrachten. Heute finanzieren sie damit in vielen Fällen ihren Ruin.

Das die Gewerbesteuer also weiter verlangt wird begründet sich schlicht darin, dass Land und Bund nicht bereit sind, die Kommunen ausreichend zu finanzieren und durch Wegfall dieser ungerechten Steuer die Kommunen zahlungsunfähig würden. Allerdings sehen sie nicht den Zusammenhang, dass sie damit ihre drohende Zahlungsunfähigkeit auf die Kleingewerbetreibenden verschieben, die lange nicht mehr belastungsfähig sind. Sie wurden in der Vergangenheit in solchem Maße durch Gebühren und Steuern belastet, dass sie längst auf Kredite angewiesen sind, um den alltäglichen Betrieb zu finanzieren. Und auch das ist neu. Noch vor fünfzig Jahren hatten die meisten Kleinbetriebe eine Eigenkapitalquote von mehr als achtzig Prozent. Heute ist es mehr als umgekehrt. Es ist daher falsch, wenn die Bundesregierung die Banken anmahnt, der Wirtschaft mehr Darlehn zur Verfügung zu stellen. Die Wirtschaft benötigt keine Darlehn - zumal deren Zinsen, die facto (häufig verlustbedingende) Kosten sind aber als Gewinnausschüttung bewertet werden (!!!), dann die Gewerbesteuerpflicht erhöhen - , sondern die Möglichkeit Eigenkapital zu bilden, um von erzwungenen Darlehnsaufnahmen wieder zur Eigenfinazierungsmöglichkeit zu gelangen.
Und das bedeutet, der Staat muss seine Melkmaschine erheblich drosseln bzw. die Lasten wieder gerecht verteilen. Er begründet seine Steuerforderungen ja zum großen Teil damit, deren Einnahmen zur Wirtschaftsbelebung zu benötigen. Wenn der Staat auf diese Steuereinnahmen verzichtet, so würden die Unternehmen mit dem gesparten Geld die Wirtschaft besser und effektiver ankurbeln können, als es dem Staat je möglich sein wird, vorausgesetzt, dass die Verteilung der Lasten und Förderungen dann keine Klientel-Muster aufweist, wie es jetzt der Fall ist. Die große Masse der kleinen Gewerbetreibenden können kaum noch Einkommen erwirtschaften und müssen dennoch erhebliche Gewerbesteuer aufbringen, die dann als Subventionen an wenige große Unternehmen gehen, wo das Geld dann für die Allgemeinheit wirkungslos verschwindet.

Das Kernproblem ist, dass das gesamte Steuersystem vor Ende des 19ten Jahrhunderts entwickelt wurde und bis ins einundzwanzigste Jahrhundert niemals grundlegend in Frage gestellt wurde, sondern immer nur Ergänzungen erfahren hatte, die ausschließlich dem Ziel dienten, dem Staat mehr Einnahmen zu bringen. Die Industrie ist heute durch den sich immer mehr beschleunigenden Fortschritt gezwungen, sich spätestens alle 5 Jahre neu zu organisieren, der Staat denkt noch immer in Kategorien der vorindustriellen Zeit.
Längst sind die Gewerbetreibenden nicht mehr die leistungsfähigen und endlos abschöpfbaren Großverdiener, sondern hohe Bankangestellte und Spitzenbeamte, die als lohnabhängig gelten, haben sie längst teils hundertfach überrundet, während ein überwiegender Teil der Gewerbetreibenden trotz siebzig und mehr Wochen-Arbeitsstunden kaum noch auf das Einkommen eines Fabrikarbeiters kommt.

Es wird Zeit, den Verfassungsauftrag neu umzusetzen. Und der bedeutet nicht, mit Phantasie neue Steuerpflichten zu schaffen, sondern der Besteuerung ausschließlich die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu Grunde zu legen. Wie der Staat das macht, ist letztlich egal, aber am Ende muss immer die steuerliche relative Gleichheit stehen, also höhere Gesamterträge aus Arbeitsleistungen müssen unabhängig der Art mit der sie erworben werden, auch höher besteuert werden , wobei prinzipiell nach Abzug der Summe aller Steuern und der für den Bürger unausweichlichen Gebühren immer das Existenzminimum verbleiben muss.

Und in diesen Rahmen passt die Gewerbesteuer nicht mehr. Ihre einzige Rechtfertigung ist die, dass sie da ist.

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