Freitag, 26. Februar 2010

Respekt, auch wenn Trauer überwiegt

Mit ihrer Rücktritts-Entscheidung hat sich Frau Käßmann den Respekt vor ihrer Persönlichkeit zurückgekauft.
Aber es war ein hoher Preis. Nicht nur für sie selbst, sondern für die gesamte Bevölkerung.

Zuerst ist es für mich unverständlich, wie eine so gefestigte Person mehr als ein wohl überlegtes Glas Alkohol trinken kann, egal, ob sie sich zu Hause oder in Gesellschaft außer Haus befindet. Denn auch, wer zu viel dem Alkohol zuspricht, verliert seine Würde,- nicht zuletzt vor sich selbst. Das hätte ihr jederzeit klar sein müssen.

Aber es gibt auch die andere Seite. Wie kaum ein anderer kirchlicher Würdenträger hat Frau Bischöfin Käßmann der Kirche wieder ein vertrautes menschliches Gesicht gegeben. Das lag wohl auch daran, dass sie trotz der hohen Würde nicht entrückt, sondern Mensch geblieben ist. Und das, wie man sieht, mit allen Unzulänglichkeiten des Menschlichen. Selbst wenn es einen Nachfolger gleicher Bedeutung geben könnte, so hinterlässt sie eine nicht zu schließende Lücke, denn sie selbst wird fehlen.

Und hier liegt das Dilemma. Verfehlungen von Amtsträgern sind leider alltäglich, jedoch nicht Rücktritte wegen solchen Verfehlungen. Es sind nun gerade die charakterfesten Personen, die in solchem Falle zurücktreten, also ohnedies eine Minderheit. Personen mit eher schlechtem Charakter klammern sich an ihr Amt und sitzen die Situation aus. Da Fehlverhalten zum Menschsein gehört, bewirkt diese Systematik, dass die Amtsträger mit schlechtem Charakter lebenslang auf politische Entwicklungen Einfluss nehmen, während charakterstarke Personen – ohnedies die Minderheit - leider diesbezüglich nur kurze Gastauftritte haben. Das hat dazu geführt, dass nach wissenschaftlicher Untersuchung unsoziales Verhalten um so spürbarer wird, je näher man in politischen und wirtschaftlichen Organisationen der Hierarchiespitze kommt.
Aus dieser Sicht wäre es für das Land trotz der eindeutigen Verfehlung von Frau Käßmann besser gewesen, sie hätte ihr positives Wirken weiterhin eingebracht und die kleine Fraktion der idealistischen Amtsträger nicht durch ihr Ausscheiden geschwächt. Ihre Alkoholfahrt hat ganz Deutschland geschadet und ihr konsequenter Rücktritt von allen Ämtern hat diesen Schaden nicht verringert.

Zwar sollte man das Fehlverhalten von Amtsträgern ordnungsrechtlich nicht besser beurteilen als entsprechendes Handeln ‚kleiner Bürger‘, das sollte allerdings zum Wohle der Allgemeinheit nicht dazu führen, dass ausgerechnet die sozial wirkenden Personen zurücktreten und denen das Feld überlassen, die gleichartige Vergehen aussitzen oder Kraft ihres Amtes vertuschen. Frau Käßmann hätte ihre Reue besser dadurch zeigen können, in dem sie sich um so mehr für soziale Belange eingesetzt hätte.

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